Der Landkreis Bamberg steht vor der Bewältigung schwerer Aufgaben:

Flüchtlinge unterbringen, den Nahverkehr verbessern, die Energieversorgung sichern

13.01.2023
Zwei vom “Bamberger Zwiebeltreter” geben ihre “Visitenkarte” bei Landrat Johann Kalb ab: Redakteur Werner Baier und Webdesigner Arno S. Schimmelpfennig.
Foto: Werner Baier
von Werner Baier

Bamberg-Land. Landrat Johann Kalb sieht in der in Bayern vorbildlichen dezentralen Unterbringung einer vermutlich weiter wachsenden Zahl von Flüchtlingen eine der gr0ßen Herausforderungen des Landkreises Bamberg in diesem Jahr. Derzeit sind 2200 Schutzsuchende im Landkreis untergebracht. Während der Flüchtlingswelle 2015/16 waren es bis zu 1300. Für Januar und Februar seien dem Landkreis jeweils 130 weitere Flüchtende angekündigt. Gegenüber unserer Online-Zeitung “Bamberger Zwiebeltreter” äußerte Kalb die Zuversicht, dass im guten Einvernehmen mit den Bürgermeistern und Gemeinderäten der 36 kreisangehörigen Gemeinden auch diese Aufgabe gemeistert werden kann, nachdem man gemeinsam den “Lackmustest” schon 2015/16 bestanden habe. “Jede Gemeinde muss einen Teil übernehmen”, ist die Devise; die Ankerzentren müssten entlastet werden.

Eine humanitäre Leistung

Die Bevölkerung des Landkreises bittet der Landrat um Verständnis für die humanitäre Leistung, die unsere Gesellschaft angesichts des Ukrainekrieges zu erbringen hat. Und er bittet auch um die Einsicht, dass nicht jeder Flüchtlings-Familie ein separates Domizil angeboten werden kann. Um die Belegung von bis zu 80 Plätzen in Notunterkünften wie etwa dem vormaligen Nettomarkt in Scheßlitz komme man nicht herum. Zudem sei es ja auch wichtig, dass an den Zufluchts-Orten eine gewisse Infrastruktur bis hin zu regelmäßigen Verbindungen mit dem öffentlichen Personennahverkehr vorhanden ist.

Ab 2024 “ganz neue Mobilität”

Was die Verbesserung des ÖPNV im Raum Bamberg betrifft, werden in diesem Jahr weitere intensive Vorbereitungen getroffen, denn: “Ab 2024 wird es eine ganz neue Mobilität im Landkreis Bamberg geben”, kündigt Kalb im Brustton der Überzeugung an. Es werden fünf Bündel von Verkehrsclustern gebildet, deren Verkehrsachsen eng getaktete Verbindungen zwischen zentralen Orten und dem Oberzentrum zur Folge haben werden. Innerhalb dieser Bündel müssten dann weitere öffentliche Linien zu einer Vernetzung aller Orte des jeweiligen Einzugsbereichs führen. Kalb ist sich im Klaren darüber, dass für die angestrebte Erhöhung der Linien und die Verdichtung der Taktfolge erhebliche Kosten entstehen werden, die die Allgemeinheit zu tragen hat. Zur rechten Zeit kommt dabei die Einführung des 49-Euro-Tickets für die Benutzung der Nahverkehrsmittel. Kalb mit Blick auf die Einbindung des Bamberger Raumes in den Verkehrsverbund Großraum Nürnberg: “Für die Bürger wird’s auf jeden Fall besser”.

Für Gymnasiasten Bamberg ideal

Bei der These: Eine Entlastung der Verkehrsströme in Bamberg könnte zum Beispiel durch die Errichtung eines Gymnasiums zum Beispiel in der größten kreisangehörigen Gemeinde Hirschaid erreicht werden beißt der Landrat nach wie vor nicht an. Stattdessen verweist er auf die hohe finanzielle Leistung des Landkreises zum Betrieb der aufgrund der regionalen Entwicklung zentral in Bamberg angesiedelten Gymnasien: “Wir zahlen zwei Drittel, deutlich mehr als wir als Gastschulbeiträge zahlen müssten.” Gymnasien müssten dort angesiedelt werden, wo die Schüler am leichtesten hinkommen, und da sei “Bamberg halt nicht so weit weg”. Den Blick nach Ebermannstadt lässt der Landrat dabei nicht gelten: Als dort ein Gymnasium entstand, hatte Hirschaid noch 3000 Einwohner. Niemand wäre auf die Idee gekommen, damals dort ein Gymnasium errichten. Sollte es wirklich einmal erforderlich werden, zur Entlastung Bambergs ein Gymnasium im Kreis anzusiedeln, würden sich mit einiger Berechtigung sofort auch die Bürgermeister aus Scheßlitz, Burgebrach oder  Hallstadt melden, ist dem Landrat klar.

Breites Bildungsangebot

Andererseits beteilige sich der Landkreis mit seinen nach der Gebietsreform in den zentralen Gemeinden entstandenen  und sehr gut ausgestatteten Realschulen flächendeckend am Schulsystem, ebenso mit seinem Engagement für die Berufsschulen. Weitere Bildungszweige seien die Volkshochschule und  die Kreismusikschule, die vielen Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen den Horizont für Hobby und Beruf erweitern. Ein vergleichbares Bildungsangebot in einem Raum von rund 230000 Einwohnern müsse man weit suchen, meint Johann Kalb. Für ihn gehören Körper, Geist und Seele zusammen.

Das G9 lässt grüßen

Ins Jahr geblickt erwartet Kalb, “dass uns die Gymnasiallandschaft extrem beschäftigen wird”. Durch die Umstrukturierung von G8 auf G9 kämen in einem Jahr rund 800 neue Schüler zu den Wachstumsprognosen dazu. Außerdem müssen die Anforderungen der Ganztagsschule mit ihrem zusätzlichen Raum- und Personalbedarf erfüllt werden. Das Ganztagsangebot mit einer Mittagsversorgung nähmen in großer Zahl die Familien mit Kindern bis zu 14 Jahren an. Die Schule sei nicht mehr nur ein Aufenthaltsort fürs Lernen, sondern werde zu einem Lebensbereich. Wo früher der Hausmeister belegte Brötchen verkauft habe, bedürfe es leistungsfähige Mensen, die regional erzeugte Lebensmittel zu hochwertigen Gerichten verarbeiteten. Dabei werde es jedoch von Schule zu Schule unterschiedliche Lösungen geben. Wo gleich nebenan Fastfood aus der ganzen Welt zu kaufen ist, sind die Anforderungen geringer als bei weiterführenden Schulen, die keine solchen Einkaufsquellen in der Nähe haben.

Platz für neue Windenergieparks gesucht

Ein großes Betätigungsfeld sieht der Landrat auf dem Sektor Energiegewinnung. Er ist hier als Vorsitzender des Regionalen Planungsverband besonders gefordert. Das werde auch ein Stadt-Land-Thema werden, weiß Kalb. Denn: Verbraucht werde der Strom zum größten Teil in den Städten und erzeugt werden müsse er hauptsächlich auf dem Land – so wie es auch in der Wasserversorgung sei. “Wenn’s das Land außen herum nicht gäbe, müssten die Städter verhungern”, kennzeichnet Kalb die Situation. “Wenn wir bei der Stromerzeugung kein vernünftiges Verhältnis erreichen, kann das zu großen sozialen Spannungen führen!” Selbstverständlich könne man neue Windräder nicht neben der Altenburg oder auf dem Domberg aufstellen. Es werde für den regionalen Planungsverband in diesem und nächstem Jahr  eine große Aufgabe werden, die Vorranggebiete für neue Windenergieparks ausfindig zu machen. Zur Zeit sei 0,7 Prozent der Fläche der Planungsregion als Vorranggebiet ausgewiesen, genutzt werde davon wiederum nur die Hälfte. Schon da sei noch Potenzial vorhanden. Schon bis 2032 wolle man für die Windenergie 1,8 Prozent der Fläche bereithalten. Das Verfahren sei nun eingeleitet. Zunächst sei den Gemeinden angeboten worden, selbst Vorschläge für neue Potenzialflächen zu unterbreiten. Dann werden Naturschutz und Umweltschutz eingebunden. Landrat Kalb ist zuversichtlich, das gesetzlich vorgegebene 1,8-Prozent-Ziel zu erreichen, zumal nun auch Waldflächen, Naturparks und Landschaftsschutzgebiete in die Betrachtung einbezogen werden dürften. “Da können wir jetzt im vereinfachten Verfahren rein.” Trotzdem sei Vorsicht geboten, damit nicht im Hauruckverfahren alles ruiniert wird, warnt Kalb. Das Land soll schon auch in der Zukunft noch attraktiv sein.

Abbau von Widerstand?

Froh ist der Bamberger Landrat, dass innerhalb des Planungsverbandes große Einigkeit in der Sache herrscht. Als Vorsitzender sei der dankbar, “dass da nicht alles kreuz und quer schießt”. Aus dem Grund setzt Kalb auch auf die Beteiligung der Gemeinden und deren Bürger, nicht nur bei der Auswahl von Potenzialflächen. Die Zustimmung steigt mit der Möglichkeit der ökonomischen Nutzung der neuen Windparks, zum Beispiel auch in denkbaren Kombinationen mit Anlagen zur Wasserstoffgewinnung. In Erinnerung an die öffentlichen Diskussionen, die es vor ein paar Jahrzehnten ab, als die Telekom wegen des technischen Fortschritts die Fernsprechzellen abbaute, hält Kalb auch so manchen Umschwung in der Bewertung neuer Energie-Technologien für denkbar. Er will seinen Beitrag dazu jedenfalls zu leisten.

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