Der Stadtrat nach einem blamablen 1:2

Mein erstes Mal: Pleiten, Pech und Pannen, aber unverdrossen Bericht erstatten

24.11.2022
Dermaßen illuminiert tagt der Bamberger Stadtrat im Spiegelsaal der Harmonie, gewissermaßen erleuchtet.
Foto: Werner Baier
von Werner Baier

Bamberg. Mein erstes Mal. Im Stadtrat, als Berichterstatter für den „Bamberger Zwiebeltreter“, die von mir selbst ins Leben gerufene Online-Zeitung für Bamberg Stadt und Land. Da muss ein Knaller herauskommen, von dem mindestens halb Bamberg spricht. Nee, wird es nicht. Oder doch, wenn Sie, sehr verehrte Leserin, geneigter Leser Lust und Muße haben, sich von diesem Erstling amüsieren zu lassen! Und den Lesestoff anderen zuspielen.

Von Willy Heckel gelernt

Es war übrigens nicht wirklich meine erste Teilnahme als Journalist an einer Sitzung des Bamberger Stadtrates. Während meiner Ausbildung zum Redakteur im Fränkischen Tag durfte ich in Vertretung meines unvergesslichen Lehrmeisters Willy Heckel ausgerechnet jene Stadtratssitzung wahrnehmen, in der es um die Festlegung der Bamberger Fußgängerzone ging. Das war vor zirka 51 Jahren. Woanders habe ich in der Zwischenzeit ungezählte Sitzungen aller möglichen Kommunal-„Parlamente“ für Zeitungsleser aufbereitet und kommentiert.

WM-Fußball oder Stadtrat?

Aktuell sei damit begonnen, dass für einen Berichterstatter, der in Pettstadt wohnt und zum Parkhaus “Zentrum Süd” an der Schützenstraße völlig zur Unzeit das erste Spiel der Deutschen Nationalmannschaft bei der Fußball-WM in einem unwirtlichen Wüstenstaat stattfindet. Dort, wo reiche, sehr fromme Moslems bettelarme andere Moslems in unsäglichem Dreck zu unmenschlichen Bedingungen auf gigantischen Baustellen 12 Stunden täglich Schwerstarbeit verrichten lassen. Und wo man sich sorgt, dass die hochtrainierten, ansonsten aber relaxten Fußball-Multimillionäre aus fünf Kontinenten sich überfordern könnten, wenn sie während 90 Minuten ein paar Sprints hinlegen. Gut, hässlich gefoult werden kann man da auch.

Herrschaftssakra, der Ausgleich!

Anstoß 14 Uhr bedeutet: Ende des Fußballfestes im Normalfall um 15.45 Uhr (+Nachspiel). Dann in einer Viertelstunde von Pettstadt ins Bamberger Zentrum zu fahren, das ist von einem verantwortungsvollen Verkehrsteilnehmer nicht zu schaffen. Ergo: Um 15.30 Uhr Abfahrt. Nein, da schießt gerade ein Japaner den Ausgleich. Herrschaftssakra! Hilft nichts, Fernseher aus, ab ins Auto. Natürlich wechseln alle Ampeln, an denen ich vorbeimuss, immer punktgenau dann auf Rot, wenn ich bestenfalls Dunkelgelb riskieren würde. Die Fahrt dauert…

Warum zapft hier keiner Strom?

Die E-Parkplätze im Parkhaus Zentrum-Süd: fertig, aber verwaist.

Endlich im Parkhaus, Erdgeschoss: eine Reihe leerer Parkplätze. Aber nicht für einen Dieselfahrer: Die Bauarbeiten sind offenbar endlich abgeschlossen, das Flatterband ist weg. Hier dürfen fortan die Besitzer von Elektromobilen parken. Und zapfen. Aber keiner tut’s. Das ist ein so eindrucksvolles Bild, dass ich erst noch ein Foto schieße, um vermelden zu können: Fahrt endlich in das sündhaft teure Parkhaus und ladet dort euere Batterien auf!

Protestler stehen Spalier

Bisschen mit Verzug biege ich am Schillerplatz ums Eck und sehe eine Demo: Vor der Harmonie haben Mitarbeiter*innen der AWO Grund zu meckern. Klar, ihr Chef heißt Stieringer und der muss auf dem Weg in die Stadtratssitzung hier vorbei, mitten durch. Aber es geht wohl nicht gegen ihn. Beschäftigte sozialer und karitativer Einrichtungen haben leider viele Gründe, über die Vernachlässigung ihres Berufsstandes zu klagen.

Protestierende AWO-Mitarbeiter warten auf die Stadträte.

Ich halte mich nur kurz auf, grapsche einen Flyer und hechle in den sogenannten Spiegelsaal des Theaterkomplexes, wo mindestens einmal im Monat die Politshow der Bamberger Volksvertreter stattfindet.

Die Technik streikt

Pech, die Sitzung hat schon begonnen. Der Herr Oberbürgermeister konnte leider nicht die Gelegenheit nutzen, erstmals den Neuling vom „Bamberger Zwiebeltreter“ auf der Pressebank zu begrüßen. Was eigentlich arrangiert war, nachdem das Stadtoberhaupt seine Teilnahme am „Roll-out“ der Online-Zeitung kurzfristig wegen dringender Geschäfte abgesagt hatte. Andererseits dann aber auch Glück, denn es ist noch nicht richtig losgegangen in der Sitzung: Die Technik streikt – wie eigentlich fast immer und fast in allen Ratssälen hakt die Lautsprecheranlage.

Einen Kopf höher

Es ist vergleichsweise still, offenbar brütet der ganze Stadtrat mit geballten Fäusten über der 1:2-Blamage der von den Medien schon zum nächsten Weltmeister oder doch Mitfavoriten hochgejubelten Deutschen Fußball-Elite, die einmal mehr bewies: Es reicht nicht, durchschnittlich eineinhalb Köpfe größer zu seien als der Gegner; Spielwitz und Erfolg kommen aus dem Kopf, egal wie hoch man ihn trägt.

Es mangelt am Hotelpalast

Illuminiert wird der Stadtrat übrigens von einem kapitalen Kronleuchter und 14 Wandleuchtern mit je drei Glühbirnen. Eine Lightshow bahnt sich an (was sich als Irrtum erweist). Zuviel Licht macht es wiederum uninteressant, den aufwendig erstellten Power-Point-Präsentationen auf der Leinwand zu folgen. Da ist alles ein wenig nebulös. Ein Gutachter namens Heiko Rainer von der Firma dwif stellt ein für rund 18000 Euro erstelltes Gutachten über den Tourismus in Bamberg vor. Die Quintessenz: Der Tagestourismus ist nach der Pandemie schon wieder auf hohem Niveau. Man solle die Hotellerie um mehr Qualität bitten, gleichzeitig aber darauf hinweisen, dass das Preisniveau der Gästebetten schon als keck empfunden wird. Wenn noch Hotels dazu kommen sollten, dann am besten ein Fünf-Sterne-Palast und ein Wellness-Hotel, so ungefähr lautet der Tipp des Experten.

Oder noch eine Billigherberge?

Das Gutachten sollte laut Sitzungsregie einfach nur zur Kenntnis genommen werden. Allenfalls war geplant, Fragen an den Gutachter zu richten, was auch getan wurde. Doch wie so oft und überall wurde die Gelegenheit genutzt, Weisheiten zum Besten zu geben, was man heutzutage gerne vom Display abliest oder im monotenen coolen Flüsterton tut. Oder man ist schon etwas älter, denkt, alles zu wissen und plaudert einfach mal los; wird schon am Ende was Rundes ‘rauskommen und notfalls wiederholt man sich halt ein paar Mal. Hört eh kaum jemand zu. Man(n) brütet (1:2), daddelt am Handy oder erledigt am Laptop Geschäftspost. Am Ende die Erkenntnis: Und wenn der 17. Investor in Bamberg ein Billighotel bauen will, man wird es ihm schwerlich verweigern können.

Demonstrative Unterbrechung

Mittenrein zieht eine andere Demo. Diesmal dringen von „Fridays for Future“ bewegte junge Menschen mit einem Transparent in den Ratssaal und fordern die Kommunalpolitik auf, die Welt zu retten. Wenigstens die kleine an der Regnitz.

Protest fürs Klima. Der Stadtrat rührt sich kaum.

Der „Ober“ ruft eine kurze Sitzungspause aus, bedankt sich fast für den Besuch und unter leisem Beifall verlässt das Kommando wieder den Raum. Naja, wenigstens waren sie nicht weiter unartig.

Wilder Mann und Schweinepreise

Danach könnten die Damen und Herren Stadträte im zugewandten Sitzen auf der Leinwand einen Exkurs durch die Fülle der Großbaustellen machen, die Bamberg gerade im Hochbau hat. Referent Bertram Felix referiert ohne Höhen und Tiefen, ohne dass er mal auf den Tisch hauen oder dass er – was vielleicht alle aufschrecken würde – die Gesamtkosten sämtlicher Projekte platzen ließe. Da läppern sich gewiss ein paar Hundert Millionen Euro zusammen. Der Berichterstatter vom „Bamberger Zwiebeltreter“ hat jedenfalls die Summe nicht gehört. Was freilich auch daran liegen könnte, dass seine Kassen-Hörgeräte in dem Akustik-Monster Spiegelsaal überfordert sind. So hat er sich die ganze Zeit mit der Frage beschäftigt: Wie kann einer allein so viele so knifflige Baustellen managen, wo doch gerade die Baubranche „Wilder Mann“ spielt? Und “Schweinepreise” (stöhnen die Bauherren) aufruft?

Und ewig grüß das Murmeltier

Ehe der Stadtrat ein paar nebensächliche Beschlüsse fasst, sage ich leise Servus, um im Homeoffice diesen Bericht zu tippen und ihn alsogleich noch am Abend ins Internet zu stellen. Aber was passiert? Die Technik streikt. Hatten wir heute schon, aber anders. Geschäftspartner Arno brütet – nein, das Fußballergebnis lässt ihn kalt – über der Widerspenstigen Zähmung. Es hat mich gewurmt, die ganze Nacht lang.

Beim Ausparken das gleiche Bild: E-Parkplätze leer.
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