Bamberg. Die Stadt voranbringen. Das geht nicht gegen, sondern am besten mit der Bevölkerung. Und so wandte sich Oberbürgermeister Andreas Starke am Ende seines knapp 40-minütigen Rechenschaftsbericht in der Bürgerversammlung direkt an die Bevölkerung: “‘Ohne das Engagement der Bürgerschaft geht es nicht. In Bamberg haben wir das Glück, dass sich die Menschen für ihre Stadt und deren Entwicklung interessieren und engagieren und damit den Zusammenhalt fördern. Die Hilfsbereitschaft der Bevölkerung in den vergangenen Jahren war beispielhaft. Bitte kümmern Sie sich auch in Zukunft um Ihre Nachbarn, Freunde oder Arbeitskollegen und helfen sie mit, dass Bamberg eine gute Zukunft hat!”
Ein kräftiger Applaus zum Ende der Bürgerversammlung, bei der der Pfarrsaal von St. Otto überfüllt war, kann als Zeichen von Zufriedenheit gewertet werden, sicher auch mit dem Verlauf der Veranstaltung: Alle von Bürgern gestellten Anträge und Anregungen werden vom Stadtrat und seinen Ausschüssen aufgegriffen, versicherte Zweiter Bürgermeister Jonas Glüsenkamp, der die über zweistündige “Aussprache” souverän leitete.
Bei einer Bürgerversammlung im Stadtteil Nord musste zwangsläufig das heiße Eisen Schlachthof geschmiedet werden. Oberbürgermeister Starke widmete diesem Thema ein Viertel der 20 Seiten seines Redemanuskripts. Sein Vortrag deckte sich weitestgehend mit den Informationen, die nach einer Schlachthof-Konferenz am selben Tag verbreitet worden sind. Der “Bamberger Zwiebeltreter” hat darüber bereits in dem Beitrag: “Der Schlachthof Bamberg wird auf den Prüfstand gestellt (bambergerzwiebeltreter.de)” berichtet.
Zusammenfassend erklärte der Oberbürgermeister, dass es in diesem Jahr darum gehe, alle Fakten zusammenzutragen um gegen Ende ein richtungweisende Entscheidung über die Sanierung und den Erhalt des über 100 Jahre alten Schlachthofes oder dessen Schließung mit folgender Neuverwertung der Immobilie zu treffen. Auf jeden Fall gelte es, die Lärm- und Geruchsbelästigungen der Umgebung in den Griff zu bekommen. “Wir müssen dafür die beste Lösung finden.”
In den anschließenden Wortmeldungen der Bürger wurde dann auch keine Forderung nach der Schließung des Schlachthofes erhoben. Es wurde sogar Kritik daran geübt, dass die Grünen – Mehrheitsfraktion im Stadtrat – dieses Ziel verfolgen. Ein Rinder- sowie eine Schaf- und Ziegenzüchterin aus dem Umland warfen die Frage auf, wohin denn ihre Tiere zum Schlachten transportiert werden müssten, wenn der Bamberger Schlachthof nicht mehr bestehen würde. In Bayreuth und Erlangen wären die nächsten Schlachtstätten, aber dort fahre man auch bereits am Rande der Kapazität. Beifall wurde auch für die Forderung gespendet, den Tieren weite Transportwege zu ersparen, für eine ortsnahe Verwertung der Schlachtkörper durch regionale Fleischereien zu sorgen und die Produkte so frisch wie möglich auf dem regionalen Markt an die Verbraucher zu bringen.
Unterstützung bekam die Stadt durch einen Redner, der die finanzielle Beteiligung der Städte und Landkreise im Umfeld von 150 Kilometern forderte, die allesamt von dem Bamberger Schlachthof profitierten, während Bamberg allein das finanzielle Risiko trage. Es wurde auch zu bedenken gegeben, dass über die Jahre Millionensummen in den Schlachthof investiert wurden: Das wäre im Falle einer Schließung in den Sand gesetztes Geld der Bürger Bambergs.
Geschäftsführer Julian Schulz versicherte in der Bürgerversammlung mehrfach, allen Klagen aus der Nachbar- und Bürgerschaft persönlich nachzugehen, etwa, wenn zu viel Lärm und Gestank nach außen dringe oder Schlachtabfälle ohne Abdeckung der Ladeflächen abtransportiert würden, was eine Teilnehmerin monierte. “Im Sommer will man nachts zwischen 24 und 4 Uhr die Fenster zum Lüften öffnen können!” Trotz des Defizits aus dem Betrieb würden heuer wieder 80000 Euro zur Verbesserung der Abwasserentsorgung und der Stromversorgung investiert, berichtete Schulz. Oberbürgermeister Starke sagte definitiv eine gründliche Erhebung aller Daten für eine ergebnisoffene Beratung und die umfassende Einbeziehung der Bürger sowie aller beteiligten Seiten zu, von den Viehzüchtern bis zu den Verbrauchern.
Angesichts dessen, dass die Bürgerversammlung in dem Stadtviertel stattfand, in dem sich der Schlachthof sich befindet, war erstaunlicherweise kein Druck in Richtung “Macht den Schlachthof zu!” zu verspüren. Wer gerne weiterhin die fränkische Leibspeise “Schäuferla mit Kloß und Soß” essen möchte und ein alter Bamberger ist, hat sich mit dem gewiss emissionsanfälligen Betrieb arrangiert. Die Forderung nach seinem Ende kommt hauptsächlich aus den Reihen der Vegetarier und Veganer, der Klima-Aktivisten und jenen Nachbarn, die in jüngerer Zeit im Umfeld des Schlachthofes Häuser gebaut und Quartier genommen haben. Aber von denen war in der Bürgerversammlung nichts zu hören.
Zuvor hatte Oberbürgermeister Starke einen Querschnitt durch die Vielfalt der Aufgaben dargeboten. Er begann mit den Investitionen der Stadt zugunsten von Kindern, Schülern, Familien und Alleinerziehenden. Dabei nannte er die Schaffung von 500 Kitaplätzen sowie die Sanierungen der Wunderburg-, Luitpold und Trimberg-Schulen sowie des Dientzenhofer-Gymnasiums und die Generalsanierung der Graf-Stauffenberg-Schulen.
Zur Wohnraumfrage verwies Starke auf die 75 Millionen Euro, die im Malerviertel in die energetische Sanierung und die Schaffung von neuem Wohnraum investiert werden. 25 Millionen davon seien die Kapitaleinlage der Stadt. Neue Wohnungen entstünden am Ochsenanger in Gaustadt, im ehemaligen Kasernenbereich, im Ulanenpark usw. Das neue “Digitale Gründerzentrum Lagarde 1“ oder das „Medical Valley Center Bamberg” sind Belege für die hohe Innovationskraft.
Nach wie vor engagiert sich die Stadt in beachtlichem Ausmaß auf dem Sektor Kultur, deren Vielfalt ein Aushängeschild Bambergs sei. Unter anderem nannte der OB die Übernahme der Stadtbücherei aus der Trägerschaft des Erzbistums und die Sanierung der Tabakscheune mit einem Aufwand von 1,4 Millionen Euro.
Um die öffentliche Sicherheit besser gewährleisten zu können, verwies Starke auf die Einführung eines kommunalen Ordnungsdienstes. Vielleicht der “geeignete Schlüssel, um nächtlichen Partys und Ansammlungen in der Innenstadt so zu begleiten, dass die Wohnqualität erhalten bleibt und Rücksicht genommen wird auf die berechtigten Interessen der Anwohner, aber auch auf die Belange der jungen Generation.”
Nach Starkes Exkurs durch die Aufgabenfelder Sport-, Freizeit- und Sozialeinrichtungen, die eine hohe Lebensqualität der Bürger sichern sollen, kam der OB auf die Beiträge der Stadt zum Klima- und Umweltschutz zu sprechen. Die Förderung des sozialen Zusammenhalts und den Ausbau des Gesundheitsstandortes schilderte er als weitere bedeutende Ziele. Mit dem Programm “Smart City” und der Begleitung der Industrieunternehmen – etwa Bosch und Brose – sowie des Handels und Handwerks leiste die Stadt viel für den Wirtschaftsstandort und den Erhalt von Arbeitsplätzen.
Der ICE-Streckenausbau und die Unterbringung von Flüchtlingen nannte der OB “zentrale Herausforderungen”. Zum einen konnte er sich die Bemerkung nicht verkneifen, dass es kaum einen schwierigeren Partner als die Bahn gibt. Zum anderen beharrt er auf die Zusagen des Staates bezüglich der Einstellung der Anker-Einrichtung für Flüchtlinge. Bamberg fordert hier eine deutliche Entlastung ein. Und dann mahnte die unermüdliche Christine Lawrenz die “dezentrale Verteilung der Flüchtlinge auch nach Bug und ins Berggebiet, nicht nur auf Bamberg-Ost”.
Wo kann Bamberg besser werden? Besucher der Bürgerversammlung hatten da etlich Vorschläge: Die Pestalozzischule für die Schulkinder aus der Ukraine nutzen; das Windhundrennen um die noch immer raren Kita-Plätze zugunsten einer zentralen Steuerung der Vergabe beenden (Glüsenkamp verwies fürs Erste auf die Plattform “webKITA)”; die Stauffenberg-Realschule ab der fünften Klasse zugänglich machen; eine weitere Realschule in Bamberg errichten; in Gaustadt mehr Sportstätten errichten und den Schulweg über die Schwarze Brücke beleuchten; beim Umbau des Grünen Marktes am Gabelmann wieder genug Fahrradbügel aufstellen! Andere Vorschläge: Mehr Parkraum im Bereich der Lichtenhaidestraße schaffen, die Radwegelücke zwischen Gaustadt und Bischberg schließen, das öffentliche Grün an der Kreuzung der Siechen- mit der Memmelsdorfer Straße aufhübschen und endlich das marode Parkleitsystem durch ein modernes ersetzen.
Aus der Wunderburg wurde die Bekämpfung der Müllflut am Adenauerufer angemahnt, ebenso die Beseitigung der Parkraumnot im Baugebiet Ulanenpark sowie die Sanierung von Radwegen, die sich zum Teil in einem schlechten Zustand befänden. Ferner wird sich der Stadtrat mit dem Anliegen beschäftigen, bei nächster Gelegenheit Straßennamen aus dem weiten Feld der neueren Migrationsbewegungen zu schöpfen.
Sehr skeptisch sind viele Bamberger, was den öffentlichen Nahverkehr betrifft: Dass es keine Ring- oder Tangenzial-Linien gibt, sondern so gut wie alle Linien – Zeit raubend – über den ZOB geführt werden, gibt Anlass zur Kritik. Zweifel bestehen auch daran, dass die Stadtwerke so richtig gut über die Wunschziele der Bamberger informiert sind. Der Maxplatz wurde als “größte Steinwüste Deutschlands” verurteilt. Man solle am besten die darunter befindliche Tiefgarage auffüllen und darauf Bäume pflanzen, hieß es. Promenade und Lange Straße müssten endlich zeitgemäß umgebaut werden, lautete eine andere Forderung.
Einer wunderte sich nach dem Besuch vieler Stadtratssitzungen, dass von einer Partei so gut wie keine Stadtratsarbeit ersichtlich sei: der AfD. Ein Antrag auf mehr Wortmeldungen der selbsternannten Alternative wurde dann aber auch nicht gestellt. Klar wurde, dass nicht alle Bamberger zufrieden sind, dass die Stadtwerke vorzugsweise andernorts “grüne Energie” beschaffen, oder dass Stellplatzrücklagen für den Bau von Radwegen statt zur Errichtung von Parkierungsanlagen verwendet werden. Fragwürdig bleibt auch, weshalb die Bauverwaltung bei den Plänen für eine “Riesenvilla” vom sonstigen Nein zu größeren Abweichungen von Bebauungsplänen abrückte und ein eigenes Bebauungsplanverfahren zulässt.
Von anderen, in der Presse hochgejazzten “Skandalen” im Rat und Rathaus der Stadt war in der Bürgerversammlung keine Rede. Von der Gefahrenstelle am Tor der Residenzstraße hingegen schon. Da ist die Angst real, dass ein Fußgänger mal unter die Räder eines Fahrzeugs gerät oder von der Stoßstange umgeworfen wird. Ja, insgesamt sind die Bamberger schon zufrieden, aber sie wissen auch, dass der Teufel im Detail steckt. Und das sagten sie dem OB und seiner breiten Referentenbank durchaus unverblümt.
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