Fränkischer Chansonnier mit einer Hymne an die Nachbarschaft

Visäwie - Wolfgang Buck präsentiert sein 13. Album

15.01.2023
Foto: privat
von Arno S. Schimmelpfennig

Vom rechten Titel

Wolfgang Buck mag ihn nicht, den Titel des singenden Pfarrers. Selbstverständlich war er das mal; studierte Theologie und nahm eine Stelle in Trabelsdorf an. Das aber ist über 30 Jahre her. Heute wirkt der Mid-60er immer noch nahbar, in sich gekehrt und gotteshörig. Von seinem Amt hat er sich aber schon in den 1990-er Jahren verabschiedet. Damals vorsichtig; nach musikalischen Gehversuchen in der Vertonung von Gedichten des fränkischen Dichters Fitzgerald Kusz. Wer ihn heute aber als „singenden Pfarrer“ benennt, erkennt nicht seine Entwicklung hin zum professionellen Liedermacher.

Vom Dialekt und dem Blues

Auch in Bucks neuem Album werden seine Vorbilder deutlich. Ob das die Kölner Band BAP ist, Österreicher wie Wolfgang Ambros oder auch Udo Lindenberg. Buck steht auf Mundart, starke Texte und jazzig bluesige Klänge. Lange schon schreibt er keine Stücke mehr für große Besetzung. So wurde die damalige CD „Sambesi“ von der 7-köpfigen „Wolfgang Buck Band“ plus vielen Gästen eingespielt. In diesem Rahmen wurde ein Bläsersatz von fünf Musikern eingesetzt. Doch die Nähe zu Nuancen, ausgedrückt in einer Mannigfaltigkeit diverser Instrumente, ist nach wie vor nicht zu leugnen. Die moderne Technik macht es möglich. Während der Walsdorfer dieser Tage auf den Bühnen Bayerns solo mit Gitarre auftritt – sein derzeitiges Trio „Buck 3“ pausiert – schreibt er seine Stücke auf CD nach wie vor mit einem Ensemble von drei bis vier Musikern. Dabei setzt er spürbar auf Vertrauen. Man kennt und schätzt sich untereinander. Den Bläsersatz übernimmt seit Jahren Oliver Saar. Der studierte einst am Konservatorium in Nürnberg, war dann in Bamberg tätig, bevor er schließlich nach Berlin zog. Saar zeichnete sich in seinen jungen Jahren vor allem durch ein Jazz-Projekt mit dem österreichischen Vibraphonisten Roland Neffe aus. Die Nähe zur Mundart, die heute derart markant für die Stücke Bucks ist, verkörpert auch David Saam, der ab und an mit seinem Akkordion auch auf Bucks neuer Scheibe „Visäwie“ zu hören ist. Produziert wurde „Visäwie“ nahezu schon traditionell vom langjährigen Wegbegleiter Rupert Schellenberger. Schellenberger zog nach seiner Zeit in Bamberg ebenfalls nach Berlin. Heute sind unter anderem Schauspieler wie Benno Führmann oder Andreas Fröhlich gern gesehene Gäste in seinem Tonstudio ultramar labs.

Geprägt von der Musik Berlins, Zürichs und Wiens

Die Nähe zu Berlin machte es für Wolfgang Buck nicht immer einfach. So musste, wie schon angedeutet, sein Trio aufgrund der räumlichen Distanz bis heute pausieren. Wobei dem fränkischen Liedermacher als Solokünstler immerhin noch die Leidenschaft am Auftritt blieb. Sein Herz schlägt hoch, „wenn aus Musik Emotion wird“, wie er selbst sagt. Das habe er in den letzten drei Jahren stark vermisst. Aufgrund von Corona musste Buck nämlich pausieren. Die harte Zeit habe aber erst danach begonnen, als man wieder durfte, aber nicht konnte. Die ersten Konzerte nach der Pandemie – sonst an mitunter namhaften Orten wie dem Münchner Schlachthof vor 150 Zuhörern – fanden vor 20 Besuchern statt. Als Berufsmusiker, der das unmittelbare Zwischenspiel aus Musik und Gefühl im Gegenüber liebt, keine einfache Sache. Der BAZ gegenüber führt der Songwriter hierauf auch seine Abneigung gegenüber Streamingdiensten zurück und erklärt damit, warum er heute noch an CDs statt Online-Auftritten festhält. Bei Streaming-Diensten schwingt keine Emotion mit. Flach und „runterkomprimiert“ sei die Soundqualität; unrentabel für Berufs-Musiker der Verdienst. Da kennt er kein Pardon.

Derbe Sprache in gewandtem Kleid

All diese Erfahrungen finden Anklang in „Visäwie“. Wer Wolfgang Buck regelmäßig verfolgt, kennt seine sinnbildliche „Dreifaltigkeit“. Auch in den diesmaligen dreizehn Songs findet sich der Blick auf die Gesellschaft wie etwa im Lied über Querdenker. Doch auch die „Frankenbeobachtung“, wie es der Musiker selbst nennt, ist spürbar etwa bei „Kummdmernaham“. Über allem steht aber der Sprach(ex)Kurs durch alle fränkischen Akzente. Zu finden unter anderem in Songs wie „Wenn af amol dei Leem“, „Schaunernoo“ oder schlichtweg „Hä?“. Denn wer fränkisch redet müsse nicht gleich dumm sein. Ein Hochdeutscher könne genau so „schlau“ daherkommen. Buck bringt Sprache zusammen. Buck bringt Menschen zusammen. Früher wie auch heute. In der Musik und im Gespräch. Durchdacht ist seine Musik und ausdrucksstark. Vielleicht ist es das, was den fränkischen Liedermacher so besonders macht? Was an sich derb und roh erscheint wie der fränkische Dialekt, erhält auf einmal großen Tiefgang, beinhaltet feine Nuancen und steht in wenigen Worten für so viel mehr. Auch hierfür steht die CD, die sich in türkis orange mutig und auffällig dem Interessierten präsentiert. Premiere feiert dieses Artwork, wurde es erstmals von der Lebensgefährtin von Sohn Jan, Fillis Yücel, entworfen und von diesem druckreif gemacht. Was auf den ersten Blick wie ein Muster auf dem Cover erscheint, beinhaltet Menschen im Gespräch. Gespickt von „Gesprächssymbolen“, welche die Menschen während der letzten drei Jahre begleitet haben und auch heute noch präsent sind. Wie Bucks Inhalte: menschlich, nachdenklich., erträumt – und doch direkt und auf den Punkt gebracht.

Die CD gibt es für 15,-€ zu kaufen bei wolfgang-buck.de sowie beim Label CAB Artis unter cab-onlineshop.de. Zum Download gibt’s die CD auf wolfgang-buck.bandcamp.com für 8,-€.

Interesse das Album live zu erleben?
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