Kommentar

In Container gekrabbelt und Klamotten entwendet – Arm dran, davor und danach

Wie das Bild vom heiligen Martin in unserer Zeit überschattet wird

6.03.2023
Vier Flüchtlinge, die in Bamberg gestrandet sind, haben sich Klamotten aus einem Altkleidercontainer geholt. Und machen nun Bekanntschaft mit der deutschen Rechtspflege.
Foto: pixabay / webandi
von Werner Baier

Bamberg. Stell dir vor: Du wirfst deine alten Klamotten in einen öffentlich aufgestellten Kleidercontainer. Dann krabbelt da einer rein, holt raus, was ihm nützlich erscheint und teilt die Sachen mit drei anderen, die auf der Flucht vor Krieg, Verfolgung, Hunger und Elend bei uns in Bamberg Hilfe suchend gelandet sind. Hocherfreut machen sich die Vier auf den Weg in ihre Flüchtlingsunterkunft.

Doch kurz bevor sie die Aufnahmeeinrichtung in der Pödeldorfer Straße erreichen,  werden sie von der Polizei gestellt. Als Diebe gefasst, erkennungsdienstlich behandelt, zur Strafverfolgung angezeigt. “Die Klamotten im Wert von ca. 100 Euro”, so heißt es im offiziellen Polizeibericht der Inspektion Bamberg-Stadt, wurden “zurück in den  Container gebracht”. So ist’s recht: Es handelt dein Freund und Helfer.

Eine Nachfrage des “Bamberger Zwiebeltreter” ergab, dass das Quartett von der Polizei nicht etwa in flagranti am Container erwischt worden ist. Vielmehr wurde die Polizei eingeschaltet. Klar mussten die Ordnungshüter dann einschreiten, denn das eventuelle Knacken einen Schlosses und die Entwendung von Gegenständen, das sind Delikte, die in unserem Rechtsstaat zu ahnden sind. Ergo wird auch eine Fahndung nach der Bande durchgeführt, die schließlich von Erfolg gekrönt ist. Bravo! Aber damit ist die Sache noch nicht zu Ende: Bei geordneter Gewaltenteilung muss sich nun die Staatsanwaltschaft mit dem Fall befassen und schließlich kann der Diebstahl von Altkleidern vor Gericht landen. Das ist unter Umständen nicht gut für  die Anerkennung als Flüchtling…

Ob diejenigen, die ihre alten Sachen in den Altkleidercontainer an der Breitenau geworfen haben, mit diesem Rechtsweg einverstanden sind, wo sie doch eine Weiterverwertung angestrebt haben? Diesmal hätte sie auf direktem Weg gelingen können und eben nicht über einen Millionen verdienenden Handel zwischen Europa und den Armutsländern, wo der Kleiderabfall am Ende landet.

Ob man unserer Sprache nicht kundigen Hilfesuchenden aus Ländern, in denen Recht und Gesetz Fremdwörter sind, abverlangen kann, die Finger von Sachen zu lassen, die scheinbar weggeworfen worden sind? Weil – man bei uns ganz einfach nicht den Abfall anderer Leute durchsucht?

Ob die Polizei zur frühen Stunde an einem Sonntag und später dann die Justiz nichts Wichtigeres zu tun haben, als Altkleider-Diebe der Gerechtigkeit zuzuführen?

Ob wir schon wieder in einem Land leben, in dem Minderheiten denunziert und gepeinigt werden?

Wäre es nicht wirklich angezeigt, beide Augen zuzudrücken, wenn armselige Menschen die von Supermärkten in Abfallcontainern entsorgten Lebensmittel  im wahrsten Sinne brauchen können? Oder wenn olle Klamotten aus Altkleidercontainern an kalten Wintertagen gerade hierzulande noch sehr hilfreich sein können? Dieses fast schon urchristliche Bild des sein Gewand mit einem Bettler teilenden heiligen Martin – es wird zuweilen überschattet von Raffgier und Gewinnsucht, Futterneid und Denunziantentum.

“In Container gekrabbelt und Klamotten entwendet” hat uns die Bamberger Polizei gestern gemeldet. Großartig, sie hat die Diebe gehalten. Und ihr Informant feiert wahrscheinlich seinen Triumph. Er sei ihm nicht gegönnt.

Fotos: Pixabay / webandi
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Darum geht's: Altkleider  Bamberg  Diebstahl

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