Ist in Hallstadt Platz für “den Neubert”? Aus Steuergründen könnte Hirschaid verzichten

Geschafft: Eine Wohnetage über den Märkten auf den zubetonierten Wiesen

1.02.2023
An der Industriestraße von Hirschaid wird dieser Gewerbekomplex entstehen: ein DM-Drogeriemarkt mit Büro- und Wohnetagen, in der Mitte ein Edeka-Markt und rechts eine Lidl-Filiale mit Leichtbau-Wohnhäusern auf den Dächern.
Foto: Animation FIM
von Werner Baier

Hirschaid. “Wenn Sie in Hallstadt eine Fläche finden, nehmen Sie den Neubert mit. Der zahlt hier sowieso keine Steuern!” Dieser Satz aus dem Munde von Dieter Wende (WG Regnitzau) war in der Januar-Sitzung der Höhepunkt einer zähen Auseinandersetzung des Marktgemeinderats mit der Delegation der ARGE. Das ist die von der Bezirksregierung geförderte “Besondere Arbeitsgemeinschaft von Bamberg, Bischberg, Hallstadt und Hirschaid”. Die soll neu aufgestellt und beibehalten werden.

Keine Rücksicht auf den “Möbelstandort”

Hirschaid wurde vor Jahren dazu genommen, um den “Möbelstandort” im Bamberger Raum einzubinden. Die Absicht ist es nämlich nach wie vor, die Gewerbeansiedlungen so zu steuern, dass Strukturen und Ressourcen nicht überbeansprucht und unvorteilhafte Konkurrenzsituationen vermieden werden. Das hat nur nicht immer geklappt, bedauert Hirschaids Bürgermeister Klaus Homann. Der musste noch als früherer Mitarbeiter von XXXL Lutz zuschauen, wie in Bamberg aus dem ehemaligen mittelständischen Möbelhaus Grüntal am Berliner Ring der heutige Möbelriese Pilipp werden konnte, direkt an der Südausfahrt von Bamberg, mit schönem Gruß nach Hirschaid.

Dieter Wende hat sich mit seiner Aufforderung ziemlich weit aus dem Fenster gelehnt, denn als Mitglied des Rechnungsprüfungsausschusses hat er intime Kenntnisse von einzelnen Steuerzahlungen, aber reden darf er darüber nicht. Gegenüber dem “Bamberger Zwiebeltreter” milderte Homann denn auch gleich ab: Es stimme nicht, was Wende behauptet habe. Das Möbelhaus zahle sehr wohl Steuern , aber nicht das, was man erwarten könne. Generell sei es problematisch, dass nach EU-Recht Steuerschlupflöcher vorhanden seien. Ganz legal können international operierende Unternehmen an einzelnen Standorten Schulden machen und ihre Steuerpflicht dort erfüllen, wo die Steuersätze am niedrigsten sind. Darunter leidet wohl auch Hirschaid als einer von vielen Standorten des österreichischen Möbel-Giganten mit dem roten Stuhl.

Homanns gemischte Gefühle

Bürgermeister Homann möchte auf dessen Filiale – anders als Wende – keinesfalls verzichten. Denn schon seit “Neubert”-Zeiten bewähre sich der Möbelhändler als Zugpferd für all die anderen Unternehmen im Umgriff. Nur die jüngste Absenkung der Arbeitsplätze bei XXXL stimmen auch den Bürgermeister traurig: “Geschieht alles nur, um den Gewinn zu erhöhen!” Aber XXXL Lutz mag sich Homann gar nicht wegdenken: “Dann hätten wir eine Bauruine mehr!” Und ein paar Euro Grundsteuer-Einnahmen sind ja auch nicht zu verachten.

Gabriele Ostertag von der Kommunalberatung GMA und Diplom-Ingenieur Daniel Waldhoff vom Amt für Strategische Entwicklung und Konversionsmanagement Bamberg wehte im Marktgemeinderat ein schroffer Wind entgegen. Es fehlte nicht viel bis zur Aufkündigung der Mitgliedschaft in der ARGE, die “nur kostet und uns nichts nutzt”, wie von verschiedenen Seiten beklagt wurde. Bürgermeister Homann hatte denn auch kaum Argumente für den Verbleib in dieser Arbeitsgemeinschaft, deren Sitzungen er selbst schon nicht mehr regelmäßig besuche, nachdem sich Bambergs Oberbürgermeister Starke fast nur noch von seinen Referenten vertreten lasse. Und um den Dauerstreitpunkt Ertl-Zentrum nebst Umgriff will sich Hirschaid eh nicht scheren.

212,7 Mio. Euro Einzelhandelsumsätze

Dass die GMA jüngst herausgefunden hat, dass das Geschäftszentrum im Ortskern von Hirschaid gut entwickelt ist und möglichst erhalten werden soll, dass von den 212,7 Millionen Euro Einzelhandelsumsätzen im Markt Hirschaid allein 70 Prozent auf XXXL Lutz entfallen oder dass es insgesamt 66 Einzelhandelsbetriebe mit 99810 Quadratmetern Verkaufsfläche gibt, nahmen die Gemeinderäte “zur Kenntnis”. Einen Vorteil daraus konnten die Räte jedoch nicht ablesen. SPD-Rat Dr. Haas vermisste Angaben zur Versorgung der Bewohner in den Ortsteilen und Vorschläge zur Existenzsicherung des örtlichen Handels. Ein bisschen schelmisch registrierte Heinrich Dorn von der CSU das Bemühen Bambergs um die Landkreisbewohner als Kunden und Besucher des Zentrums, um sie dann aber sogleich mit hohen Parkgebühren und immer mehr Fahrradwegen zu vergrätzen. Doch das stärkt dann die zentrale Funktion Hirschaids.

Schließlich drängte Bürgermeister Homann auf Zustimmung zu einer aktualisierten ARGE-Vereinbarung. Damit verbunden war der Beschluss, das Interkommunale Entwicklungskonzept der ARGE als städtebauliches Entwicklungskonzept anzuwenden. Davon, so Homann, hänge die Bereitschaft der Regierung von Oberfranken ab, Strukturmaßnahmen zu fördern. Hirschaid ist an den Kosten der ARGE finanziell mit je 2000 Euro pro Jahr beteiligt. Den Löwenanteil finanziert die Bezirksregierung. Bei zwei Gegenstimmen fand sich zum Schluss eine Mehrheit für den Verbleib in der ARGE.

Lidl baut neu, Edeka zieht um, DM kommt dazu

So leidig dieses Thema für den Gemeinderat war, so erfreut nahm er Kenntnis von der Umplanung eines Gewerbeobjektes an der Industriestraße. Weil der Discounter Lidl seine dortige Filiale durch einen modernen Neubau ersetzen lassen will, eröffnet sich die günstige Gelegenheit zu einer Änderung des Bebauungsplanes “In der Röthe III”, also des Gebiets vom jetzigen Lidl-Markt bis zu Mömax. Und da geschieht etwas zumindest in unserem Raum Bahnbrechendes: Auf den drei Baukörpern für den Drogeriemarkt DM, einer neuen Edeka-Filiale und dem künftigen Lidl-Markt werden Wohnetagen entstehen! Damit wird der im Marktgemeinderat Hirschaid namentlich von Kurt Barthelmes (WG Regnitzau) und anderen immer wieder erhobenen Forderung Rechnung getragen, den Flächenverbrauch zu reduzieren: Mindestens eine nutzbare Etage auf den Dächern der Kaufhallen! Darüber brach fast Jubel aus.

Oben drauf Häuser in Leichtbauweise

Die FIM Unternehmensgruppe hat dazu interessante Perspektiven entwickelt und der private Investor ließ sich überzeugen: Auf den drei Märkten entstehen Häuser in Leichtbauweise mit zusammen rund 4700 Quadratmetern Wohnfläche. Für die Bewohner wird eine Tiefgarage gebaut, zusätzlich natürlich ebenerdige Parkplätze für die Kunden. Was der Fläche an Grün genommen wird, soll durch Bewuchs an den Fassaden ersetzt werden. Barthelmes äußerte den Wunsch, dass ein solches Konzept Schule macht und sogar die Grünen-Gemeinderätin Sandra Bischoff fand die Lösung “mit am Erträglichsten”.

“Orgie der Flächenversiegelung” – oder was?

Geteilte Meinung in der zweiköpfigen SPD-Fraktion. Während Dr. Josef Haas das Projekt als “eine neue Orgie der Flächenversiegelung” abkanzelte, brachte sich Horst Auer mit einem positiven Vorschlag ein: Schön wäre es, wenn man den Investor dafür gewinnen könnte, die Hälfte als Sozialwohnungen zu einem Mietpreis unter acht Euro bereitzustellen. Diese und andere Detailfragen sollen in einem folgenden Städtebaulichen Vertrag geregelt werden, der parallel zu dem nun eingeleiteten Planungs- und Genehmigungsverfahren geschlossen wird.

Hotel will sich erweitern

Wie Bürgermeister Homann ergänzte, wird nach der Verwirklichung des Projekts der jetzige Edeka-Markt wahrscheinlich von dem dortigen Hotelbetreiber übernommen, um seinen Betrieb zu erweitern. Konkrete Pläne gibt es dafür noch nicht. Die ursprünglich angedachte Umsiedlung des Rewe-Marktes an die Industriestraße sei vom Tisch, erklärte der Bürgermeister.

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2 Antworten

  1. Ergänzend darf noch angemerkt werden, dass der von Hans Wichert ins Spiel gebrachte und von Horst Auer aufgegriffene sehr gute Vorschlag, Sozialwohnungen einzubeziehen, auf Investorenseite augenscheinlich freundlich bis zustimmend aufgenommen worden ist.

    Wegen der Verkehrserschließung der Bamberger Innenstadt kommt uns persönlich eine gute Ausstattung mit Fahrradwegen sehr entgegen, weil wir die Bamberger Innenstadt bevorzugt mit dem Fahrrad ansteuern.
    Doch auch dann, wenn wir das Auto benutzen, gibt es eine sehr gute Möglichkeit, den innerstädtischen Fahrradwegen und den lästigen Parkgebühren zu entgehen. Die Parkanlage am Heinrichsdamm bietet nämlich die Möglichkeit, nicht nur kostenlos zu parken, sondern auch den Stadtbus mitten in die Innenstadt entspannt und kostenlos in Anspruch zu nehmen. Man muss es halt nur nutzen.
    Übrigens hat bereits vor vielen Jahren die seinerzeitige Stadtheimatpflegerin Frau Dr. Dengler Schreiber den interessanten und kreativen Vorschlag ins Spiel gebracht, park & ride mit einer Schiffsverbindung in die Innenstadt zu ergänzen, eine Idee, für die ich damals wie heute große Sympathien hege.

    Last not least wünsche ich der online – Zeitung Bamberger Zwiebeltreter alles Gute. Sie ist eine Bereicherung für die Medienlandschaft für Bamberg und Umgebung. Das vom Fränkischen Tag deutlich vernachlässigte Umland kommt bei Ihnen gebührend zum Zuge. Die lebhafte Berichterstattung erfolgt, wiederum im Gegensatz zum Fränkischen Tag, erfreulich zeitnah. Kleine Unschärfen in der Berichterstattung sind deshalb gerne verziehen.

    Schöne Grüße nach Pettstadt

    1. Oh, gerne und Danke für die Ergänzung sowie die Blumen. Der Jahresrückblick für Hirschaid im “Bamberger Zwiebeltreter” war einer unserer bislang meistbesuchten Beiträge: schöner Lohn für die Mühe. Aber der Künstler lebt nicht vom Applaus allein. Hilfreich wäre es, wenn sich Hirschaider Geschäftsleute entschließen könnten, auf unserer Webseite zu werben. Neben dem jeweils aktuellen Gemeinderatsbericht sollte ein guter Anzeigenplatz sein. Wir arbeiten dran und nehmen flankierende Unterstützung dankbar entgegen.

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