Bamberg. Gila und Kalle aus Rommerskirchen haben vor ein paar Wochen bei ihrem ersten Spaziergang durch Bamberg bemerkt: Was für eine saubere Stadt! Da war noch kein Weihnachtsmarkt. Mittlerweile hat sich die Flaniermeile zwischen Hauptwache und Goblmo in einen riesigen Aschenbecher verwandelt: Als hätte jemand die Kippen bewusst verstreut und gleich noch ein bisschen in die Pflasterfugen getreten. So schaut es aus. Dienstagmorgen jedenfalls, als der Verfasser dieser Zeilen kurz vor Neun unterwegs zum Einkaufen war. An den Vorabenden herrschte hier Glühwein-, Punsch und Bussi-Bussi-Glückseligkeit, jetzt Tristesse.
Es liegt überraschenderweise wenig Müll herum in der Fußgängerzone, Zigarettenstummel jedoch in jeder Menge. Besonders dort, wo die Raucher*innen mit ihren Durchblutungsstörungen (extrem kalte Füße und ebensolche Hände) gerne in einem Haus- oder Ladeneingang oder unter einem Gebäude- und Dachvorsprung ein wenig Schutz vor Kälte, Wind und Wetter finden, kann man getrost von einer Sauerei reden. Wir leben nicht in einem der Länder, in denen man fürs Wegwerfen einer Zigarettenkippe empfindliche Strafen riskiert. Zeit wäre es jedoch für die Einführung einer solchen Buße für Liederlichkeit und Gedankenlosigkeit, schießt es einem durch den Kopf, wenn man mal den Blick senkt beim Schlendern durch die Weltkulturerbestadt.
Man fragt sich, welche Kinderstube muss genossen haben, wer seinen Giftmüll – und um nichts anderes handelt es sich bei dem im Zigarettenfilter konzentrierten Gemisch aus Teer, Nikotin und Pflanzenschutzmitteln – anderen Menschen und Tieren vor die Füße wirft. Das Gift auf den Verkehrswegen mündet über die Abwasserbeseitigung in die Flüsse und Meere. “Is doch egal….”
Was mutet man da den Anliegern der Fußgängerzone zu, die zur Reinhaltung der Gehwege angehalten sind und vor allem: Am Ende muss doch jemand diesen riesigen Aschenbecher fegen! Ja, die Straßenkehrerinnen und Straßenkehrer verdienen ihren Unterhalt mit dieser Dienstleistung. Aber darf man sie so zu Putzteufeln erniedrigen? Wenn sich die Raucherinnen und Raucher nicht mit solchen Fragen beschäftigen: Wer hat den Mut, sie einfach mal damit zu konfrontieren?
Das Pressereferat der Stadtverwaltung teilte inzwischen mit, dass “unmittelbar um die Buden herum die Standbetreiberinnen und Standbetreiber selbst die Reinigung vornehmen.” Das sei am Maxplatz auf dem Weihnachtsmarkt leichter zu handhaben als am Grünen Markt, wo ein Mischverhältnis zwischen Weihnachtsmarktbuden und Fußgängerzone bestehe. Dort seien Betreiberinnen und Betreiber ebenso unmittelbar um den eigenen Stand herum für die Reinigung zuständig; darüber hinaus reinigten die Bamberger Service Betriebe (BSB) in der Fußgängerzone. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der BSB seien sehr engagiert und bemüht, dass die Fußgängerzone sauber bleibt. Und auch das Kehren durch die Budenbetreiberinnen und -betreiber klappe in der Regel, behauptet die Stadtverwaltung.
Schon nach Neun und noch nicht offen? Vor dem Kaufhaus stellen sich bange Fragen.
Es war lausig kalt an jenem Dienstagmorgen in der City. Und doch bildete sich eine Schlange vor dem Kaufhaus, über dem ein großes unsichtbares Fragezeichen schwebt. Es gibt nichts umsonst da, aber ein paar ältere Herrschaften drängen nach vorn. Neun Uhr, da müsste doch offen sein? Wegen Reichtums geschlossen? Oder wegen des Gegenteils? Nein, eine Personalbesprechung hatte sich ein wenig verzögert, war später zu erfahren. Und so mussten sich die potenziellen Kund*innen einige Minuten gedulden. Schließlich rein ins Warme, Herzen und Geldbeutel öffnen!
Da zieht es auch einen älteren Mann mit Gepäck-Rollator und drei großen Handtaschen hinein in den wohltemperierten Tempel der Vorweihnachtsfreude. Er hat die eiskalte Nacht in einem Notquartier verbracht. Wo, will er nicht sagen, denn möglicherweise ist er da nächste Nacht wieder. Und was er partout nicht will: Irgendwelchen Stress mit Behörden bekommen. Deshalb auch kein Foto von dem malerischen Obdachlosen. Man sei hinter ihm her, sagt er, seit er vor vielen Jahren in Erfurt nicht alle Rechnungen beglichen habe, die ihm zum Teil die Treuhand präsentierte. Nicht wichtig, ob die Story echt oder erfunden ist, um Mitleid zu schinden. Wichtig ist, dass es Einrichtungen gibt, die auch unseren Landsleuten Asyl gewähren, wenn die Nacht unter einer Brücke tödlich sein kann. Der Typ sagt: In Bamberg gäb’s da nichts und schlurft ins Kaufhaus – wohl um aufzutauen. Und hoffentlich wird er nicht gleich wieder hinauskomplimentiert. Herberg-Suche 2022 der Notleidenden und Entwurzelten, auch so ein Dauerthema. Heute so aktuell wie in den 1940ern. Die ersten Bettler rücken an und bitten um ein Almosen. Traurig, aber wahr.
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3 Antworten
Wieder ein großartig geschriebener Artikel.
Der Verfasser hat es genau auf den Punkt gebracht.
Diese gedankenlose “Sauerei” müsste bestraft werden.
Und die Straßenkehrer/-innen müssen bei ihrer Arbeit auch noch die Giftwolke einatmen.
Das ist kein Artikel, sondern ein Kommentar. Bitte auch so kennzeichnen. Journalistisches Handwerk.
Das ist auch Kommentar, sondern ein Erlebnisbericht, angereichert mit Nachrichten und Fakten. Vollblutjournalismus könnte man sagen. Wenn Ihnen das zu viel ist, empfehle ich Ihnen die Lektüre von Amtsblättern. Viel Vergnügen!
Im Übrigen: Der “Bamberger Zwiebeltreter” ist so unabhängig, dass er sich von von niemand er- oder abschrecken lässt. Genießen Sie ihn, oder lassen Sie’s. Hausrecht hat hier die Redaktion – Punkt.