Unter Zugzwang griff der Gemeinderat von Strullendorf zur Notbremse

Veränderungssperre für den Weidengraben in Zeegendorf erlassen

28.02.2023
Der Weidengraben in Zeegendorf ist seit Jahren ein Zankapfel zwischen Grundstückbesitzern und Verfechtern des Naturschutzes. Jetzt wurde für das Gebiet eine Veränderungssperre erlassen.
Foto: Werner Baier
von Werner Baier

Strullendorf. Das Endlos-Thema Bebauung des Weidengrabens in Zeegendorf ist in der Februar-Sitzung des Gemeinderats wieder einmal aufgeflammt. Zur Debatte stand der Erlass einer Veränderungssperre, nachdem inzwischen drei Bauanträge für das seit den 1970-er Jahren beplante Tal vorliegen. Bei den zwei neuerdings eingereichten Baugesuchen steht die Erschließung der Grundstückie durch die Antragsteller in Aussicht und damit wurde es für Verwaltung und Gemeinderat ernst: Auf diese Weise könnten rasch Fakten geschaffen werden, die ein Teil der Gemeinderäte allerdings ablehnen. Und so wurde dann auch denkbar knapp mit 10:9 eine Veränderungssperre für zwei Jahre beschlossen.

Im November 2019 hat der Gemeinderat ein Verfahren zur Aufhebung des alten Bebauungsplanes in Gang gebracht. Es ist jedoch in Stocken geraten, hat aber an Brisanz gewonnen, als das Finanzamt bei der Bewertung von Erbgrundstücken einen höheren Maßstab angelegt hat. Seitdem versuchen diverse Grundstücksbesitzer, den Bebauungsplan wiederzubeleben und umzusetzen. Dabei stoßen sie auf heftige Gegenwehr von Umwelt- und Naturschützern, die in dem Weidengraben ein schützenswertes Biotop für Pflanzen und Tiere sehen.

Gemeinde im Zugzwang

Im November 2022 war ein erster Bauantrag eingereicht worden, dem allerdings das gemeindliche  Einvernehmen aufgrund der fehlenden Erschließung und der ausstehenden Bauleitplanung verweigert werden konnte. Inzwischen wurden zwei weitere Baugesuche vorgelegt und jetzt wird es kritisch: Sollte nämlich der Gemeinde Strullendorf ein zumutbares Erschließungsangebot durch die Bauinteressenten nachgereicht werden, würden die Voraussetzungen für die Verweigerung des gemeindlichen Einvernehmens nicht mehr gegeben sein. Dann hätten die Anträge gute Chancen, genehmigt zu werden.

“Jetzt sind wir die Getriebenen”, stellte Stefan Zahner von der Neuen Liste mit Bedauern fest. Seine Forderung: Die Gemeinde müsse die Planungshoheit behalten. Matthias Motzel (CSU) schob die Schuld für die Bredouille der Gemeindeverwaltung zu, die ihre Aufgaben nicht erledigt habe: Noch immer fehlten Informationen, um das Problem abschließend behandeln zu können, was eigentlich für diesen Februar vorgesehen war. Bürgermeister Wolfgang Desel ließ diesen Vorhalt nicht auf sich sitzen und rechtfertigte sich mit dem Hinweis darauf, dass die Einreichung von Bauanträgen die Gemeindeverwaltung vor neue Herausforderungen gestellt habe. Desel warb für die Festlegung einer Veränderungssperre, damit genügend Zeit bleibt, das Bauleitverfahren zum Abschluss zu bringen. Mit einer Stimme Mehrheit folgte ihm der Gemeinderat. Die Ablehnung kam hauptsächlich aus der CSU-Fraktion.

Noch nicht entscheidungsreif

Schwer tut sich der Gemeinderat mit einer Agri-Photovoltaikanlage auf einem Grundstück südwestlich von Geisfeld. Bei diesem Projekt soll auf einer Fläche sowohl Sonnenenergie zu Strom verwandelt als auch landwirtschaftliche Produktion (zum Beispiel durch Weidewirtschaft) betrieben werden. Die Firma KMM (Kommunales Management Martin aus Staffelstein) muss sich gedulden, bis dafür grünes Licht vom Gemeinderat gegeben wird – wenn überhaupt. Jasmine Uzelino von der CSU-Fraktion sieht wichtige Fragen ungeklärt. Zum Beispiel wie sich die Geisfelder zu dieser Veränderung des Landschaftsbildes stellen, was die Jäger davon halten und vor allem, ob sich ein Konflikt mit der irgendwann einmal denkbaren Südumgehungs-Trasse ergeben kann. Das Projekt sei nicht entscheidungsreif, meinte denn auch Philipp Spörlein, der CSU-Fraktionssprecher.

Auf der Fläche könnten nach Ansicht von Heiko Martin 5,3 Megawatt Strom pro Jahr erzeugt werden, genug, um 1325 Haushalte versorgen zu können. Ehe er das gemeindliche Einvernehmen nicht erzielt hat, kann er das Verfahren für die Einspeise-Reservierung nicht in Gang bringen. Die Energiewende: Sie kommt allenfalls in Trippelschritten voran.

17-Millionen-Projekt stemmen

Im zweiten Anlauf billigte der Gemeinderat den Planentwurf für die Südanbindung des westlichen Gewerbegebietes im Zuge des ICE-Ausbaus. Wie berichtet, ist ein 17-Millionen-Projekt an Straßen- und Tiefbaumaßnahmen erforderlich, um nach der von der Bahn erzwungenen Auflassung der Stockweg-Überführung eine neue Anbindung zu schaffen. Die Kosten werden weitestgehend vom Staat und von der Bahn getragen, die Gemeinde fungiert als Vorhabensträger. Ob sie dafür schon entsprechend gerüstet ist, zog Philipp Spörlein (CSU) in Zweifel. Aus dem Schlafwagen heraus werde man das Projekt nicht begleiten können, gab er der Gemeindeverwaltung zu bedenken.

Ausschussbesetzung neu geregelt

Letztlich geräuschlos wurde die Änderung der Ausschuss-Besetzung vollzogen, die nach dem Wechsel von Stefan Loßkarn von der Freien Wähler- in die CSU-Fraktion erforderlich war. Die CSU stellt demnach in den “Zehner-Ausschüssen”, also im Bau-, Umwelt- und Grundstücksausschuss sowie im Haupt- und Finanzausschuss je fünf Gemeinderäte, im sechsköpfigen Rechnungsprüfungsausschuss deren drei. Je zwei Sitze stehen in den großen Ausschüssen der Neuen Liste sowie der Fraktionsgemeinschaft SPD/Freie Wähler-Bürgerblock zu. Der freie fünfte Ausschusssitz wurde verlost. In beiden Fällen fiel er der Fraktionsgemeinschaft zu. Im Rechnungsprüfungsausschuss, wo NL und SPD/FW-BB je ein Mitglied stellen, ging der dritte Sitz per Losentscheid an die Neue Liste.

Außerhalb der Gemeinderatssitzung hat sich CSU-Fraktionssprecher Spörlein kritisch zu dem “einmaligen Vorgang” der Fraktionsgemeinschaft aus FW/Bürgerblock und SPD geäußert: Für die “politische Zweckehe” gäben die beiden Partner ihr eigenes Profil auf. Das sei ein hoher Preis, denn in der öffentlichen Wahrnehmung gebe es künftig nur noch drei statt vier politische Gruppierungen in Strullendorf.

Jugendaustausch mit Finnland

Bevor der Gemeinderat zum Teil wichtige Entscheidungen traf, ließ er sich durch den Sozialpädagogen Robert Scheuring vom Jugend­Ar­beits­Mo­dell des Landkreises (JAM) über die kommunale Jugendarbeit  informieren. Detailliert erfuhren die Kommunalpoltiker*innen, was für die Kinder und Jugendlichen außerhalb der Vereinsangebote geleistet wird. In diversen Jugendeinrichtungen fänden regelmäßige Zusammenkünfte statt. Es werde Ferienbetreuung angeboten (zuletzt für 22 Kinder), das Kreis-Kinder- und Jugendfestival in Schlüsselfeld sei besucht worden und zwei junge Strullendorfer  konnten sich an einem Jugendaustausch mit der finnischen Partnergemeinde Pyhäjoki beteiligen, berichtete Scheuring. Darüber hinaus brächten sich Jugendliche in traditionelle Veranstaltungen wie den Umzug zur Kirchweih, den Herbstmarkt oder eine Nikolaus-Aktion ein.

Mountainbiken durch den Wald?

“Jungbürgermeister” Maximilian Kestel und dessen Schriftführer Leonhard Gebauer berichteten über die Arbeit des Strullendorfer Jugendparlaments. Beide wünschen sich – stellvertretend für alle Jugendlichen – mehr Gehör bei den Entscheidungsträgern zu finden und auch aktiv in Prozesse eingebunden zu werden. Neben der Erstellung einer eigenen Website gelte derzeit das Hauptaugenmerk der Eröffnung einer Mountain-Bike-Strecke. Während die Forstverwaltung für das Projekt im Staatswald zugänglich sei, stemmen sich die Untere Naturschutzbehörde und der BUND dagegen. Weitere Verhandlungen stehen an. Letztlich geht es, wie Bürgermeister Desel einwarf, auch um Haftungsfragen. Nebenbei steht das Jugendparlament zur Neuwahl an, während ein Gegenbesuch finnischer Jugendliche zu betreuen sein wird.

 

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